Birgit von Muttis Nähkästchen hat vor kurzem eine Blogparade zum Thema „Online-Meeting der anonymen Rabenmütter“ gestartet, und nachdem ich nun schon einige witzige Beiträge zur Blogparade gelesen habe, kommt nun auch mein Artikel.
Was sind eigentlich Rabenmütter?
Wenn man sich im Netz so umschaut und umhört, dann kann man auf vielen Wegen zur Rabenmutter werden:
Man kann zu kurz oder zu lange Stillen.
Man kann einen Schnuller geben oder dem Baby einen Schnuller verweigern.
Man kann das Kind vor den Fernseher setzen oder das Kind gar nicht vor den Fernseher setzen.
Man kann zu früh wieder arbeiten gehen, zu viel Zeit alleine verbringen, zu wenige Baby- und Kinderkurse besuchen oder sein Kind nicht im Kindergarten anmelden.
Man kann das Kind zu lange oder zu häufig tragen oder stattdessen ausschließlich den Kinderwagen benutzen.
Man kann…..ganz schön viel „falsch“ machen.
Und je mehr man „falsch“ macht, desto tiefer gerät man in die Rabenmutter-Schublade.
Dabei müsste der Begriff „Rabenmutter“ eigentlich ein Lob sein, denn in der Vogelwelt gehören die Raben, und vor allem die weiblichen Raben, zu den Eltern, die sich ganz intensiv und liebevoll um ihre Jungen kümmern.
Bin ich eine Rabenmutter?
Laut den Infos im Netz, habe ich großes Potential in die Schublade der Rabenmütter gesteckt zu werden, sowohl aus Sicht der Gesellschaft, aus der Sicht anderer Eltern, aus der Sicht unserer Tochter und manchmal auch aus meiner eigenen Sicht.
Doch schauen wir mal etwas genauer hin.
In den Augen der Gesellschaft stehe ich alleine schon deswegen schlecht da, weil ich trotz einer psychischen Erkrankung ein Kind zur Welt gebracht habe. Und dann stehe ich auch noch offen zu meiner Erkrankung – was soll da nur aus meinem Kind werden?
Auch wenn ich mich nicht unbedingt als Langzeit-Stillende bezeichnen würde, so habe ich doch den ein oder anderen schrägen Blick oder schüttelnden Kopf zu sehen bekommen, wenn jemand mitbekommen hat, dass ich meine Tochter 22 Monate lang gestillt habe.
Ich begleite meine Tochter jeden Mittag und jeden Abend in den Schlaf und ich habe schon einige Termine abgesagt, weil sie mit den Schlafenszeiten oder anderen Bedürfnissen meiner Tochter kollidiert sind – auch das wird teilweise nicht gerne gesehen oder akzeptiert.
Tja, und dann wäre da noch die Ernährung, damit könnte aus der Rabenmutter sogar eine Rabenkönigin werden. Meine Tochter isst vegetarisch, bekommt also kein Fleisch oder Fisch oder gelatinehaltige Produkte. Und mit ihren bald 2,5 Jahren, hat sie bisher auch noch keinen Zucker gegessen.
Auch in den Augen anderer Eltern mache ich so einiges nicht richtig.
Seit Tag 1 schläft meine Tochter im Familienbett, und bisher sieht es nicht so aus, als ob sich das bald ändern würde.
Ich habe genau einen Kurs mit ihr besucht, und das auch erst, als sie schon 1 Jahr alt war. Und in die Kita kommt sie erst in einigen Monaten.
Der Fernseher bleibt bei uns generell aus, doch wenn der Mittagsschlaf sehr kurz ausgefallen ist, dann darf sie sich ein paar Katzenvideos auf dem IPod anschauen.
Bei uns läuft nicht nur Kindermusik sondern gerne auch mal Metalcore – und meine Tochter steht drauf. Und an Tattoos und Piercings zeigt sie schon jetzt Interesse.
Wenn wir mit dem Auto unterwegs sind, dann sitzt meine Tochter in einem ganz normalen Kindersitz, nicht in einem Reboarder – den hätte ich zwar auch bevorzugt, ist mit meiner Tochter aber nicht kombinierbar.
Und auch nicht unbedingt gerne gesehen bei anderen ist der Fakt, dass ich mich an manchen Tagen schon morgens darauf freue, dass meine Tochter abends wieder ins Bett geht.
Auch aus Sicht meiner Tochter könnte ich einiges besser machen.
Ich könnte ihr zum Beispiel erlauben, jeden Tag nackig draußen unterwegs zu sein.
Ich könnte ihr erlauben, unangeschnallt mit dem Auto zu fahren – am liebsten auf dem Fahrersitz.
Richtig doof findet sie es auch, dass ich ihr bei weitem nicht alles kaufe, was sie gerne haben möchte. Oder dass ich ihre Hand halten möchte, wenn wir über die Straße müssen.
Und Protest ihrerseits gibt es auch dann, wenn ich ausnahmsweise mal alleine zur Toilette gehen möchte, die Kühlschranktür schließe, oder ihr sage, dass sie aus der Badewanne rauskommen soll.
Und dann ist da noch meine eigene Sicht der Dinge.
Und da ich leider oft sehr kritisch mit mir umgehe, gibt es tatsächlich ein paar Sachen, die ich in meinen Augen nicht immer richtig mache.
Ich spiele zum Beispiel überhaupt nicht gerne. Ich lese gerne Bücher vor, erkunde gerne die Natur mit meiner Tochter, bastle gerne gemeinsam mit ihr und beziehe sie gerne in alltägliche Dinge mit ein. Aber spielen, so ganz banales Spielen, macht mich total nervös und gereizt. Und auch von Spielplätzen bin ich kein großer Fan.
Auch wenn ich mich generell bemühe ruhig, liebevoll und fair mit meiner Tochter umzugehen, so bin ich doch in gewissen Situationen einfach genervt und werde dann auch schon mal laut. Und ja, in solchen Momenten kommen dann auch die „wenn, dann“-Sätze aus mir raus. Wobei, wenn ich ganz ehrlich bin, dann benutze ich „wenn,dann“-Sätze auch so öfter mal.
Auch stört es mich oft, dass viele Situationen, die für andere Eltern ganz normal sind, für mich puren Stress bedeuten – ganz vorne dabei sind Einkaufen, Autofahrten, (Familien-)Feiern und Besuche jeglicher Art. Ich habe zwar akzeptiert, dass dies sowohl an meiner Hochsensibilität als auch an meiner Angststörung liegt (und auch daran, dass meine Tochter von Geburt an ein autonomes Kind ist und zusätzlich gerade in der Autonomiephase steckt), und trotzdem gibt es mir oft das Gefühl, als Mutter zu versagen.
Tja, ich bin also eine nicht spielen wollende, auch mal rummeckernde, gesund ernährende Mama, die Zeit für sich braucht, dem Kind nicht alles durchgehen lässt und immer mal wieder von Schuldgefühlen geplagt wird.
Aber wisst ihr was, so ganz durchschnittlich betrachtet finde ich, dass ich eigentlich einen ganz guten Job mache als Mama. Und das tut ihr alle auch. Wir geben tagtäglich unser Bestes, damit es unseren Kindern gut geht und sie sich später an eine schöne Kindheit erinnern können. Wir gehen über unsere Grenzen hinaus und legen teilweise eine Stärke an den Tag, von der wir nicht gedacht hätten, dass wir sie besitzen. Wir geben unseren Kindern ein Zuhause, sowohl im räumlichen Sinne als auch in unseren Herzen.
Und wir machen tagtäglich Dinge, mit denen nicht alle einverstanden sind und mit denen wir auf Unverständnis stoßen – und das ist vollkommen ok so, denn das macht uns nicht nur zu authentischen Frauen, die zu sich un ihren Kindern stehen, sondern es macht uns automatisch alle zu Rabenmüttern. Und da wir ja nun alle wissen, dass Rabenmütter die liebevollsten Vogelmütter überhaupt sind, macht uns wiederum genau diese Bezeichnung zu den besten Müttern überhaupt.
1 Comment
Lea
24. Mai 2017 at 13:09Hachz, wie schön, diesen Artikel von dir gelesen zu haben. Hab Dank dafür!
Herzliche Grüße